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kchr

Nichts ist so laut wie die Stille, wenn das erste mal jemand einen frisch geschriebenen Text von dir liest und du daneben sitzt und wartest. Auf das Urteil. Auf eine Reaktion. Auf ein Geräusch. Es fühlt sich an, wie damals in der Schule. Während mein Freund aber anständig und ruhig liest, unterbrach der unsympathische Lehrer die Stille gelegentlich mit einem Schnauben. Einem Kopfschütteln. Und dem provokanten, aggressiven Kratzen des Rotstifts auf meinem Text. Meinem Werk. Meiner Kunst. Kchchchr. Falsch. Umso länger das Kchchchr andauerte, desto mehr war falsch. Diese Unterbrechung der Stille war nicht nur ohrenbetäubend. Sie war auch irgendwie pietätlos. Abartig.  Mein Freund ist anständig und ruhig. Er nickt nicht mal mit dem Kopf. Oder schüttelt ihn wenigstens. Seine Augen sind nicht verbissen, in ihnen lauert nicht der Wunsch, einen Fehler zu entdecken und den Rotstift laut FALSCH rufen zu lassen. Er verzieht keine Mine, atmet er überhaupt? Ich werde verrückt. Die Stille ist so lau

parallel

Ein Tropfen auf meinem Kopf. Ich starre regungslos aufs Wasser. Die Finger sind kalt. Ich will nicht nach Hause. Zuhause ist schön. Hier ist es unsicher. Unsicher heißt, alles ist möglich. Also sitze ich hier, unbegrenzt, mit dem Geschmack von Freiheit. Illusion. Die Füße sind kalt. Entropie. Ich träume. Schwebe durch Parallelwelten. Abenteuer geschehen, niemand wird verletzt. Ich träume vom Wilden, Ungestümen. Sommertagen ohne Regeln. Von Nähe und Spannung. Jemand läuft an mir vorbei, ich glaube nicht, dass er mich sehen kann. Ich bin so weit weg. Ich träume von anderen Realitäten. Anderen Chancen und Entscheidungen. Herzklopfen, verursacht durch Magie. Den Chaosfaktor. Das Leben. Niemand wird verletzt. Nur ich, beim Wiedereintritt in die Realität. Tropfen auf meinem Kopf, der Hand, dem Papier. Tropfen auf der Realität.

time lapse

"How the winds are laughing, they laugh with all their might" - Joan Baez It's been a year. Today. It's been year since we met. Since a familiar stranger showed me my potential and nudged me into the right direction, motivated me to follow my path. Just enough, to spark curiosity and excitement for what is yet to come. One year ago, you were the first person who met me and told me about my magic as if it was the most obvious feature I carried. You paused me amidst a spiral of uncertainty, expansion and not-yet-enoughness and embraced me with your daring, almost offensive hope in me. I wonder whether you know about the spark you lit. And if it ever occurs to you to remember what you saw me becoming, what you made me see. It's been four years. More or less. Four years since you came back into my life. Since you, damaged soul, reached out as if our story had not yet been told. Because you saw something in me which you could not quite name - and neither could I. It wa

heimweh

Der Bass bahnt sich seinen Weg in mein Herz. Es riecht nach Räucherstäbchen und Sommer. Ich sitze auf einem bunten Tuch, mit meinen Händen taste ich die Stöckchen und Steine, die Unebenheiten im Boden. Es ist warm, mein Kleid luftig. Ich fühle mich groß. Mein Herz ist weit geöffnet. Ich schmecke Freundschaft und Verbundenheit, spüre Frieden und Liebe. Es kribbelt in mir. Ich fühle den Schatten der dunklen Stoffplane, den frischen Wind, der darunter hindurch zieht. Ich lausche dem rhythmischen Spiel der Trommeln und Gitarren. Mein Herzschlag passt sich dem Takt an. Ich höre das Lachen der Menschen um mich herum. Spüre ihre Herzen, ihr Seelen sind so vertraut. Mit meinen Füßen erforsche ich die nackte Erde. Bin der Lösung so nahe. Alle strahlen, umarmen, genießen. Alles ist in Bewegung - in Ruhe und Stille. Die Zeit steht still, denn sie ist nicht von Belang.  Wir sind groß, wir sind eins. Ich halte die Augen geschlossen. Nur ein Weilchen noch.

brot

Erinnerungen. Eine spannende Sache. Unsere ganz persönliche Fähigkeit zum Zeitreisen. Es ist einer der seltenen Tage, an denen unser Abendessen aus Brotzeit besteht. Wir sind berufstätig, also wird zu meist am Abend gekocht. Doch heute, wir hatten beide frei, gab es mittags bereits ein wärmendes Festmahl bei der Familie. Auf der Rückfahrt kamen wir an einem neuen Bäcker vorbei. Es ist einer dieser neumodischen Läden, die damit werben, Brottradition (was darunter zu verstehen ist erscheint mir zunächst höchst subjektiv) zu leben, Lifestyle Faktor und instagramability inklusive. Weg vom schneller, billiger, trockener und zurück zur Handwerkskunst. Wir haben bereits von diesem Bäcker gehört und der Frankfurter Handkäs in der Einkaufstasche schreit nach frischem Brot. Also wagten wir das Experiment.  Eben noch saß ich unverfänglich und unbedarft am Tisch, fertig gedeckt mit allem, was zum Abendbrot gehört, und saugte den Duft des frischen Brots, begutachtete die fluffige Konsistenz, die kn