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Es werden Posts vom November, 2020 angezeigt.

wütend

Ich bin wütend! Einfach mal wütend. Das ist ungewöhnlich, denn meistens versuche ich die Ruhe zu bewahren. Wut macht mir stets dieses hitzige Gefühl in Bauch und Kopf. Dieses kieferzusammenbeißende Brennen, das sich wie Gift langsam, Stück für Stück, im Körper ausbreitet. Das mir in den Kopf steigt, mich "rot sehen" lässt. In Wut sehe ich keine Lösungen, keine Optionen. Es ist nur ein Tunnelblick. Danach fühle ich mich wie nach dem Burger von der Fast Food Kette, den ich in einem schwachen Moment wie im Wahn verschlungen habe. Wie nach dem Rausch, wenn der Kater einsetzt und mir all die peinlichen Dinge einfallen, die ich aus Verzweiflung unter dem Einfluss des Alkohols getan oder gesagt habe. Ich bereu es. Denn was bleibt ist ein fader Geschmack und das Eingeständnis, dass es mich mehr gekostet hat als es mir Mehrwert bringt. Daher versuche ich meist, die Ruhe zu wahren. Durchzuatmen. Einen Stück zurück zu nehmen und mir alles mit etwas Abstand anzusehen. Darüber nachzudenke

verloren

Ich habe etwas verloren. Oft schon. Gegenstände. Einzelne Ohrringe, Schals und einmal einen Schuh zwischen Bahnsteig und Zug. Und vor allem Freunde, die schien ich nie gut halten zu können. Anfangs wegen der Umzüge, dann, so glaubte ich, wegen der verloren gegangenen Fähigkeit, langfristige Freundschaften zu pflegen, weil ich immer umgezogen war. Ich habe mein Herz verloren, unzählige Male, ein paar Mal richtig schlimm. Gelegentlich meine Würde aber mit etwas Humor, Zeit und einer Flasche Wein mit einer Kurzzeitfreundschaft lies die sich stets wiederbeschaffen. Und einmal habe ich meine Heiterkeit verloren. Und dann noch mal. Meine Heiterkeit und meine Lebensfreude, meinen inneren Antrieb und das Feuer in meinen Augen. Das habe ich zum Glück wiedergefunden. Doch von allen Verlusten war dies das schwierigste Wiederfinden. Denn es stand ja nicht zur Debatte, das nicht wieder zu finden. Erst habe ich es ohne versucht – nicht bewusst, das kam einfach so – doch dann ging es einfach nicht me

echt

Manchmal macht sie mich traurig, die Erinnerung an die Kindheit. Weil alles anders war, als es ist. Weil als Kind alles einfacher war, wie man so gern sagt. Aber auch, weil ich nicht mehr weiß, ob es echt war. Was davon echt war. War die Liebe echt und all die Worte? Ist diese Erinnerung echt, diese allererste Erinnerung, die ich habe? Wie weit entfernt war meine Wahrnehmung von dem, was es wirklich war? Und war vielleicht damals alles echt und jetzt nicht mehr, denn jetzt sehe ich alles durch den Filter der Logik, der Konventionen und dessen, was ich zu Wissen glaube?  Manchmal fühle ich mich wie in dem Film Hook, als wär ich der altgewordene Peter Pan. Als hätte ich vergessen, dass Fantasie die wahre Realität sein kann. Und als wüsste etwas, tief in mir, dass ich fliegen kann. Als wartete ich noch auf die Erlaubnis, das als möglich zu betrachten. Als wüsste mein Herz noch um all die Abenteuer, die ich erlebt habe, wenn keiner zugesehen hat. Manchmal höre ich Musik, die mich zurückträ

zitronenquarkrolle

Die Morgenstunden am Wochenende sind lang - ganz besonders an den Sonntagen. Die Eltern schlafen noch und wir haben sie in Ruhe zu lassen. Stattdessen treffen wir uns also heimlich still, mit nackten Füßen und Schlafanzügen, in aller Frühe zum Spielen. Kichernd, in dem besonderen Wissen, dass der Tag nur uns gehört - zumindest für den Moment. Wir tauchen ein in andere Welten und die Morgensonne taucht unser Reich in dieses diesig, helle Licht, das den Geruch von Morgentau mitbringt. Es ist, als würde alle Welt noch schlafen - bis auf uns. Sonntagmorgens vertragen wir uns. Denn da ist alles friedlich - auch wir - und wir könne noch in Ruhe träumen.  Irgendwann hören wir sie dann aber doch, die ersten Schritte der Eltern, die knarzende Schlafzimmertür, das fließende Wasser in der Dusche. Die Tür geht auf, nur für einen Spalt, und Papa steckt den Kopf durch. Wer mit ihm zum Bäcker gehen wolle, fragt er. Ich, natürlich! Eilig springe ich auf und lasse die Welt, die ich eben noch erkundet h

milchglas

Unter meinen nackten Füßen spüre ich die kalten weißen Küchenfliesen. Ich trage ein Nachthemd, es ist ganz leicht, der Stoff dünn, und es ist mir viel zu groß.  Nachthemden trage ich nur, wenn ich bei den Großeltern bin und nur, wenn es Oma's aussortierte Nachthemden sind. Oma sagt immer, ihre Küche sei zu klein. Für mich ist sie riesig. Das warme Licht, das von unter den Oberschränken kommt, gibt der Küche das Gefühl, dass es Nacht ist, aber eben noch nicht ganz. Das Kochen ist vorbei, deshalb ist das Deckenlicht aus. Aber eben nicht das warme Licht der Oberschränke. Das ist dafür da, damit sich niemand verläuft bei Nacht. Oder damit die Spülmaschine nicht im dunkeln arbeiten muss. Oder falls jemand noch einen heißen Kakao haben will - meistens bin ich das. Heißen Kakao gibt es bei Oma immer in großen, hohen Tassen mit Blümchen drauf. Das sind schicke Tassen. Mit ihnen und meinem Nachthemd fühlt es sich immer ein bisschen an, als wären wir eine schicke Familie in England. Für mich

ginkgo

Ich soll schreiben. 10 Minuten, mit der Hand. Ohne nachzudenken. Aber über den ersten Satz habe ich nachgedacht, als ich das Buch gesucht habe, in das ich schreiben will. Ich habe einen Timer gestellt - er war schon auf 10 Minuten eingestellt. Ein Zeichen? Ich glaube an Zeichen. Nicht so sehr an Zufälle. Die Ideen und Sätze fließen schneller als die Hand. Ein Zeichen habe ich neulich erst bekommen. Und heute. Ich arbeite aktuell an meinem Mindset. Ich will keine Angst mehr haben, zu wenig Geld zu haben. Ich glaube, nein ich habe gelernt, dass Geld eher kommt, wenn man dankbar und unbesorgt ist, um es mal ganz einfach auszudrücken. Jetzt stehe ich an einer Gedankenkreuzung und soll einen Weg wählen, ohne darüber nachzudenken. Also die Zeichen. Vor ein paar Tagen lag auf dem dreckigen, feuchten Asphalt der Nachbarschaft ein Ginkgoblatt. Golden. Ich glaube, dass der Asphalt nass war. Vielleicht dichte ich mir das auch nur dazu - aus romantischen Gründen. Jedenfalls lag da dieses Blatt. Ei

atem

Wir laufen nun schon eine ganze Weile. Über beinahe ebene Wege und ein wenig Asphalt ging es ganz hoch hinauf. Schnaufend und gehetzt konnte ich mithalten, aber wieso haben wir es so eilig? Der Ausblick war fantastisch, als zwischen den hohen Kiefern und Eichen schließlich Felder, Weinreben und in der Ferne die schwammigen Umrisse von Bergen hervor blitzten. Die goldene Herbstsonne tat ihr übriges. Zwischen Erdung und Ehrfurcht konnte ich zum ersten mal an diesem Tag durchatmen und wahrnehmen. Nun bahnen wir uns den Weg am Hang entlang, über schmale, goldene, laubgesäumte Pfade, untermauert von den Wurzeln der ruhigen Giganten ringsherum. Samten anmutende Sterne in saftigem Grün decken sie zu, kleine Pilzhüte sind ihre stetigen Begleiter. Der Blick nach oben ist schwindelerregend, die Wipfel schwanken im Wind und reichen bis in die Wolken, zwischen denen sich vereinzelte Sonnenstrahlen den Weg zum Grund bahnen um dem Wald ihre Magie einzuhauchen. Die Luft ist klar, kühl und feucht, jed

souvenir

Mein Blick schweift durch die Dunkelheit. Das heiße Wasser der Quelle dampft wild in der kalten Winterluft. Eine leichte Strömung massiert mich, streift mir durch die Haare, streichelt meinen Körper.  Der Himmel über uns leuchtet hell vom satten Vollmond, der auf uns herabschaut und uns behütet. Ich lege meinen Kopf in den Nacken, lasse mich treiben und bewundere den endlosen Sternenhimmel, die Klarheit der Nacht und die Magie, die der Anblick ferner unbekannter Weiten birgt. Und dennoch schweifen meine Gedanken nicht, sie verweilen im Hier und Jetzt, in der Vollkommenheit des Augenblicks. Ich lasse meinen Blick wandern. Am Ufer, wo das klare Wasser aufgeregt gegen die Schwefelablagerungen der heißen Quelle plätschert, flackern zwei vorsichtig platzierte Kerzen. Neben dem Licht des Mondes bieten sie die einzige Lichtquelle und tauchen dein Gesicht ein in einen Moment, der so unvergänglich scheint und doch in seiner Augenblicklichkeit so kostbar und zerbrechlich ist.  Wir beobachten ihn

gedanken zum montag

Ich soll eine Liste erstellen: Die drei größten Herausforderungssituationen in meinem Leben. Nach reiflicher Überlegung und etwas familiärer Hilfe, weil ich mich schlicht an vieles aus meiner Kindheit nicht mehr erinnere, habe ich sie gefunden. Nun betrachte ich sie. Vielleicht sind es nicht die größten Herausforderungen, die ich hatte. Vermutlich nicht. Doch es sind die drei, die sich als Situationen beschreiben lassen. Mit Lösungen und allem. Und einem besseren Danach. Hier sitze ich nun und betrachte sie, meine Herausforderungen. Sie sind zwar nicht klein, doch ich kann ihn nicht überhören, den Impulsgedanken "Mensch, ich hab schon ein verdammtes Glück, dass das meine drei Herausforderungen waren." Und selbst bei Betrachtung der noch größeren, verstärkt es sich. Das Gefühl des Privilegs. Ich wurde in den Mittelstand geboren, in eine Familie mit ziemlich genau 50% Akademikern. Der Nachname ist vielleicht ausländisch und die Augen und Haare ziemlich dunkel, doch ich bin weiß