wütend

Ich bin wütend! Einfach mal wütend.

Das ist ungewöhnlich, denn meistens versuche ich die Ruhe zu bewahren. Wut macht mir stets dieses hitzige Gefühl in Bauch und Kopf. Dieses kieferzusammenbeißende Brennen, das sich wie Gift langsam, Stück für Stück, im Körper ausbreitet. Das mir in den Kopf steigt, mich "rot sehen" lässt. In Wut sehe ich keine Lösungen, keine Optionen. Es ist nur ein Tunnelblick. Danach fühle ich mich wie nach dem Burger von der Fast Food Kette, den ich in einem schwachen Moment wie im Wahn verschlungen habe. Wie nach dem Rausch, wenn der Kater einsetzt und mir all die peinlichen Dinge einfallen, die ich aus Verzweiflung unter dem Einfluss des Alkohols getan oder gesagt habe. Ich bereu es. Denn was bleibt ist ein fader Geschmack und das Eingeständnis, dass es mich mehr gekostet hat als es mir Mehrwert bringt.

Daher versuche ich meist, die Ruhe zu wahren. Durchzuatmen. Einen Stück zurück zu nehmen und mir alles mit etwas Abstand anzusehen. Darüber nachzudenken, was die Lösung ist. Es gibt immer eine Lösung. Also versuche ich sie zu finden, statt mir selbst meine Kraft zu rauben und mich lahmzulegen. Mit der Wut, die mich durchströmt wie ein Nervengift.

Doch jetzt bin ich wütend. Meine Brust ist mir eng, meine Zähne beiße ich so fest zusammen, dass es mir Kopfweh bereitet.

Ich bin wütend. Auf die Welt. Auf diesen bescheuerten Virus. Darauf, dass meine Familie nicht zusammen sein kann. Ich bin wütend darüber, dass ich nichts daran ändern kann. Ich bin wütend auf mich, weil ich wütend bin. Und weil ich doch so viel habe, wofür ich dankbar sein kann. Kurz kocht sie hoch, die Wut. Ich teile sie mit. Spucke sie aus. Schaue sie mir an, wie sie gekrümmt vor mir am Boden liegt. Kurzlebig und ohne Erwartungen. Und dann tut sie mir fast Leid, die Wut. Sie kann ja nichts dafür, wollte nur raus.
Ich schaue sie mir an und akzeptiere sie. Und lasse sie einfach sein. 

Und dann atme ich durch. Einfach so.
Ganz ohne die Reue, den Fadengeschmack oder das Eingeständnis.