verloren

Ich habe etwas verloren. Oft schon. Gegenstände. Einzelne Ohrringe, Schals und einmal einen Schuh zwischen Bahnsteig und Zug. Und vor allem Freunde, die schien ich nie gut halten zu können. Anfangs wegen der Umzüge, dann, so glaubte ich, wegen der verloren gegangenen Fähigkeit, langfristige Freundschaften zu pflegen, weil ich immer umgezogen war. Ich habe mein Herz verloren, unzählige Male, ein paar Mal richtig schlimm. Gelegentlich meine Würde aber mit etwas Humor, Zeit und einer Flasche Wein mit einer Kurzzeitfreundschaft lies die sich stets wiederbeschaffen.
Und einmal habe ich meine Heiterkeit verloren. Und dann noch mal. Meine Heiterkeit und meine Lebensfreude, meinen inneren Antrieb und das Feuer in meinen Augen. Das habe ich zum Glück wiedergefunden. Doch von allen Verlusten war dies das schwierigste Wiederfinden. Denn es stand ja nicht zur Debatte, das nicht wieder zu finden. Erst habe ich es ohne versucht – nicht bewusst, das kam einfach so – doch dann ging es einfach nicht mehr. Also habe ich mir Hilfe gefunden. Und mit der habe ich dann irgendwann die Heiterkeit wiedergefunden. Und das Feuer. Aufgeben war keine Option, jedenfalls meistens nicht. Und es hat lang gedauert, bis ich das alles wieder beisammenhatte. Die Heiterkeit vor allem.
Manchmal verlege ich sie noch, die Heiterkeit, obwohl ich doch seither so gut darauf aufpasse. Und alle sagen, dass das ok ist. Sogar die Therapeutin. Dass das mal vorkommt. Aber das macht mich jedes Mal wieder nervös. Was, wenn ich sie nicht finden kann? Wenn sie sich diesmal richtig gut versteckt hat? Also suche ich sie. Habe kleine Tricks. Orte, von denen ich weiß, dass sie sich dort gerne versteckt. Wie der Boden eines Popcorneimers am Ende eines bejahenden Films. Oder im frisch bezogenen Bett bei den Großeltern, nach einem heißen Bad. Manchmal auch im Lachen, dass eine der inzwischen Langzeitfreundschaften hervor kitzelt. Und ab und an auch im befreienden Geschmack von Tränen. Und immer, wenn ich sie wiederfinde, bin ich dankbar für die Heiterkeit. Und letzten Endes war sie nie weit weg. Meistens einfach nur tief in mir vergraben, aber immer noch da.
Vielleicht ist das ja mit allem anderen, was wir verlieren, auch so. Solange wir es in der Erinnerung oder im Herzen tragen, ist es doch immer noch irgendwie da. Manchmal ärgert mich dieser Gedanke, weil er das Verlorene nicht wiederbringen kann. Aber wenn ich es zulasse und mich an die schönen Momente erinnere, die ich mit jemandem oder etwas hatte, bevor ich sie verloren hab. Wenn ich den Schmerz in der Vergangenheit lasse, bei dem Verlorenen, und mich wirklich nur an das Schöne erinnere... Manchmal fällt mir dann noch viel mehr davon ein und umso mehr ich darüber nachdenke, desto klarer werden die Bilder. Und dann ist es eben doch, als wäre es noch irgendwo da.
Irgendwo bei der Heiterkeit.

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