gedanken zum montag
Ich soll eine Liste erstellen: Die drei größten Herausforderungssituationen in meinem Leben.
Nach reiflicher Überlegung und etwas familiärer Hilfe, weil ich mich schlicht an vieles aus meiner Kindheit nicht mehr erinnere, habe ich sie gefunden. Nun betrachte ich sie. Vielleicht sind es nicht die größten Herausforderungen, die ich hatte. Vermutlich nicht. Doch es sind die drei, die sich als Situationen beschreiben lassen. Mit Lösungen und allem. Und einem besseren Danach.
Hier sitze ich nun und betrachte sie, meine Herausforderungen. Sie sind zwar nicht klein, doch ich kann ihn nicht überhören, den Impulsgedanken "Mensch, ich hab schon ein verdammtes Glück, dass das meine drei Herausforderungen waren." Und selbst bei Betrachtung der noch größeren, verstärkt es sich.
Das Gefühl des Privilegs.
Ich wurde in den Mittelstand geboren, in eine Familie mit ziemlich genau 50% Akademikern. Der Nachname ist vielleicht ausländisch und die Augen und Haare ziemlich dunkel, doch ich bin weiß. Eine weiße, mittelständischem halbakademische Kartoffel mit persischer Würze.
Seltenst musste ich mich minimal mit ausländerfeindlichen Kommentaren rumschlagen. Nie musste ich mich fragen, ob es mir möglich ist ein Abitur zu machen und zu studieren (abgesehen von der Frage, ob ich meinen faulen Hintern doch noch mal hoch bekomme und mich bequeme, für die Prüfungen zu lernen).
Auch wenn vieles nicht rosig war und mir Einiges verwehrt blieb, was die anderen Familien im Umfeld sich leisten konnten, so hatte ich doch stets ziemlich gute Chancen. Und eine wirklich Närrin hätte ich sein müssen, um das zu verbauen.
Unabhängig davon, welche Hürden ich zu nehmen hatte in meinem bisherigen Leben, ich war nie allein. Auch, wenn ich mir dessen nicht immer bewusst war und, obwohl mein familiäres Umfeld nicht immer das gesündeste war. Immer gab es Menschen, die mich aufgefangen hätten - und haben - wenn ich es nicht mehr konnte. Stets war jemand da, den ich um Hilfe, egal welcher Art, bitten konnte.
Das wohl "Schlimmste", was ich anbringen kann, ist die Tatsache, dass ich eine Frau bin. Aber ich bin eine Frau, die in einem Umfeld aufwuchs, in dem sie lernen konnte, für sich und andere einzustehen. Weil sie nicht jeden Tag um ihr Leben bangen musste, oder aufgrund ihrer Hautfarbe oder Sexualität zu kämpfen hatte.
Ich bin eine hetero Cis Frau in Deutschland, die kein Problem damit hat, den Mund aufzumachen, wenn was nicht richtig ist. Weil ich einfach deutlich weniger Feinde, Gegner und Schlechtgesinnte habe, als die meisten anderen Menschen auf dieser Welt.
Es ist so: Ich hatte meine Baustellen - habe immer noch welche, natürlich - und es gab Momente in meinem Leben, in denen es mir in meiner Sicht ganz aussichtslos schien. Sicherlich hätte es an vielen Stellen auch anders ausgehen können. Sicherlich waren auch meine Probleme für sich genommen nicht alle unwichtig oder banal.
Doch heute, beim Betrachten meiner Herausforderungen, muss ich es mir selbst einfach mal deutlich sagen:
"Du, dir ging es immer verdammt gut. Und alles was nicht gut war, hast du lösen können. Du hast es mit unter 30 geschafft, intensiv an dir zu arbeiten. Du kannst dich jeden Tag bewusst entscheiden, ein guter Mensch zu sein. Du hast die Möglichkeit, ein Coaching zu machen UND eine Therapie. Gleichzeitig. Nicht, weil du es dringend musst, sondern weil du dich weiterentwickeln willst. Du kannst jederzeit dein Leben - beruflich und privat - absolut umstrukturieren. Du kannst dich jeden Tag entscheiden, alles anders zu machen. Du hast die Möglichkeiten.
Dir geht es verdammt gut.
Also mach was draus."
Wie dankbar ich dafür bin, vermag ich kaum zu sagen. Ich wünschte, jeder Mensch auf dieser Welt könnte mindestens die gleichen Chancen haben, die ich hatte. Und ich möchte Wege finden, zurück zu geben und mein Privileg nutzen, um die zu unterstützen, bei denen es nicht so ist. Ich möchte tun, was ich kann, um die Welt ein kleines bisschen zum Guten zu verändern.
Ich bin eine Idealistin.
Und auch das ist ein Privileg.
P.S.: Ich weiß, dass ich selbst noch viel zu lernen habe über Privilegien. Und darüber, wie ich damit umgehe. Daher gelobe ich, hier und jetzt, stets mein Möglichstes zu tun, um nach bestem Wissen und Gewissen an mir zu arbeiten, mich Vorwürfen zu stellen und anderen zu helfen.
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